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2007

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10 Jahre galerie merkle

 

Ausstellung

Eröffnung: Freitag, 9. November 2007

Dauer der Ausstellung: 9. November 2007 - 19. Januar 2008.

 

Anlässlich der Ausstellung zum 10-jährigen Jubiläum erscheint ein Katalog mit Abbildungen und Texten von: Ruth Baumann - Matthias Beckmann - Jürgen Bordanowicz - Armin Ceric - Othmar Eder - Monika Frank-Auth - Hans Karl - Ulrike Kirbach - Harald Kröner - Thomas Putze - Monika Schaber - Annegret Soltau - Hannes Steinert - Rolf Urban - Gert Wiedmaier - Danielle Zimmermann - Annik Aicher - Timo Brunke - Jan Christ - Veit Görner - Peter Grohmann - Ludger Hünnekens - Martin Theobald - Clemens Ottnad - Tina Stroheker - Petra von Olschowski - Tobias Wall

 

Aus dem Katalog

Prof. Dr. Ludger Hünnekens
Rektor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart.

 

Zehn Jahre nach Gründung der Galerie Merkle sind ein erstes rundes Jubiläum und ein trefflicher Grund zu gratulieren und auch Dank zu sagen; denn seit Anbeginn steht die Galerie Merkle mit der Stuttgarter Kunstakademie in engem Kontakt.

So wurden und werden eine ganze Reihe ehemaliger Lehrer und Studenten von ihr vertreten, und insbesondere die gute Verbindung zu den Werkstätten der Druckgrafik unseres Hauses hat immer wieder wunderbare, von der Faszination der Zeichnung und Linie geleitete Resultate hervorgebracht.

Die Neugier auf noch unentdeckte künstlerische Positionen, der Mut, sich auch außerhalb des Mainstreams und des derzeit allzu lauten Kunstmarktes der Metropolen zu orientieren und mit der Programmauswahl einen eigenen Weg zu gehen, zeichnet die Galerie Merkle aus. Sie ist damit in bester Gesellschaft den Galerien Naumann und 14-1, mit denen Sie gemeinsam seit Kurzem das Galerienhaus in Stuttgart nutzt.

Auch dieses neue Netzwerk unter einem Dach steht für ein Selbstverständnis und eine Haltung der Galerie den Künstlern, dem Markt und der Öffentlichkeit gegenüber, die der weiteren Entwicklung der Galerie alle Türen öffnen sollte. Sie ist ein Forum der Begegnungen des Gedankenaustausches zur zeitgenössischen Kunst und natürlich eine Plattform für künstlerische Arbeiten in den unterschiedlichsten Ausdrucksformen. Das Galerienhaus ist ein Kulturraum ganz eigener Prägung, sicher kein Spiegelbild des kommerziellen, zweckdienlichen Kunstbetriebs. Ich wünsche der Galerie Merkle, allen voran ihrem Chef Horst Merkle, für die nächste Dekade viel Spaß an der Arbeit und notwendigerweise auch den verdienten Erfolg; denn davon können viele profitieren.

 

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Ruth Baumann

geboren 1966, lebt in Stuttgart.

Baumann

Ohne Titel, Chinapapier auf Leinwand, Tusche/Acryl, 30 x 24 cm , 2007

 

Matthias Beckmann

geboren 1965, lebt in Berlin.

Beckmann

Danneckers Ariadne auf dem Panther in der Rotunde der Staatsgalerie
Bleistift auf Papier, 29,7 x 21,0 cm, 2007

 

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Timo Brunke

Sprechdichter. Lebt in Stuttgart.

Der Weg zur galerie merkle

Unterm Oberschulamt durch
(keine Kunst ohne Vorbildung)
In den Innenhof streben,
Einen Schlüsselschleifer grüßend,
der dort für reißfeste Absätze sorgt
(Open-air-Barhocker-Installation)
Den Getränkehändler fristlos rechts liegen lassend
(wonach dürstet Dich?),
Selbst den Sanitärhersteller nur schauend im Vorübergehn
(Merkmal: reine Künstlerseele),
Die Treppe hoch - ein Stockwerk.
Ganz und gar der Kunst geweißt.
Jetzt weiß ich Bescheid.

Gut zu merkle.

 

Jürgen Bordanowicz

geboren 1944, lebt in Hamburg.

Bordanowicz

Rückwendung eines Teufels, Mischtechnik, 21 x 19,5 cm, 1997 / 1999 / 2006

 

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Armin Ceric

geboren 1976, lebt in Berlin.

Ceric

Kopf, Acryl auf Papier, 44 x 64 cm, 2006

 

Peter Grohmann

Kabarettist. Lebt in Stuttgart.

10 Jahre Merkle Dir was!

Merklet Ihr was?
Stellen Sie sich vor, man würde Kunst und Kultur
so betrachten wie den Zustand eines Gehwegs
oder einer Straße. Vor allem beim schlechten Zustand einer Straße -

Nichts kann die Völker mehr empören
als schlechte Straßen. Und was die Völker angeht:
Natürlich ist das Volk der Chiappas in Mexiko
über den Zustand seiner Straßen nicht so empört
wie vielleicht das Volk der Württemberger.

Allerdings kann man sagen, dass die Chiappas
auf die Barrikaden gehen, wenn man ihre
Kultur so verfallen ließe wie ihre Straßen.
Merklen Sie was?

Kein Straßenbauer, liebe Freunde in der Breitscheidstraße,
hätte es nötig, um seinen Auftrag zu feilschen, zu antichambrieren.
Keine Autobahn im Lande bedarf der Alimente- weil die Straßenbauer
und Autobahnen legale Kinder der Gesellschaft sind, anders
als die Künstler, die Kunst, die Kultur, die illegalen, nicht konformen, die in keinen Tunnel passen.
Stellen Sie sich vor, man würde Kunst und Kultur ebenso
selbstverständlich, weil lebensnotwendig, subventionieren,
fördern wie den Straßenbau.

Ich rede nicht davon, dass man die Kulturetats erhöhen muss-
Ich rede davon, dass man besser, schneller, überzeugender,
zeitgemäßer sein muss als alle anderen.
Und Leute wie Sie, Herr Merkle, Sie sind nicht schneller,
Sie sind langsamer. Ist das nicht schön?

Lasst uns die Bedächtigkeit loben, auch wenn sie erst 10 Jahre alt ist.
Denn die böse Schwester der Bedächtigkeit wäre die Geschwindigkeit.
Sie wäre schon nach fünf Jahren am Ziel und hätte uns alle unterwegs verloren.
Seid weiter unterwegs.
Seid weiter unterwegs und lasst die Events links liegen, oder rechts.

Denn im Event dieser Tage bleibt das Gespräch auf der Strecke.
Wer kann im Dröhnen der Boxen noch die leisen Töne hören,
wessen Auge erkennt noch Handdruck Buchdruck Holzdruck
Zeichnung und Grafik, die nicht aus dem Computer kommt?

Denkmal.
SchauMal.
KommMal.
Bleibmal.
Ein Wagnis im Positiven heißt für mich:

Verkaufen.
Aber sich nicht kaufen lassen.

Wieder hören lernen.
Besser sehen ohne Fielmann.

Sprechen und sprechen lassen.
Aber nicht zu lange.

Langsamer sein in Zeiten der schnellen Straßen.
Langsamer schauen in Zeiten des schnellen Wegsehens.

Der Gewinn der Genauigkeit.

Wo allenthalben die Klohäuschen schließen,
weil es kein öffentliches Bedürfnis mehr gibt,
bleibt mein Wunsch an Horst Merkle
und an Sie und Sie und Dich:

Merkle Dir das!

 

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Othmar Eder

geboren 1955, lebt in Stettfurt, Schweiz.

Eder

700 km + 8 Jahre von Moskau entfernt, Zeichnung auf Papier und Karton, 39 x 24,5 cm, 2006

 

Monika Frank-Auth

geboren 1954, lebt in Bad Vilbel.

Frank-Auth

Palme auf blauen Wellen,Teppichcollage und Oilstick auf bedrucktem Stoff, 50 x 35 cm, 2007

 

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Petra von Olschowski

Geschäftsführerin der Kunststiftung Baden-Württemberg. Lebt in Stuttgart.

Die erste Begegnung ist mehr als zehn Jahre her. Und sie fand nicht in der Galerie Merkle selbst statt, sondern in dem kleinen Ausstellungsraum der Stuttgarter Drogenberatungsstelle Release, wo Horst Merkle zugunsten der Suchtkranken Malerei, Zeichnungen und Grafik namhafter zeitgenössischer Künstler verkaufte. Schon in diesem Raum, der eigentlich so gar nicht für die Präsentation von Kunst geeignet war, zeigte sich die außergewöhnliche Handschrift des Galeristen, der eine Vorliebe für die stillen Arbeiten hat, die poetischen, zarten, aber doch kraftvollen, deren Stärke im Detail und in der Präzision liegt. Das hat sich auch später nicht geändert, in den idyllischen Hinterhofräumen seiner Galerie in Bad Cannstatt und danach in den großen Fluren des Stuttgarter Galerienhauses, in das die Galerie vor zwei Jahren gezogen ist. Wer als Betrachter auf Entdeckungsreise gehen will, der ist in der Galerie Merkle genau richtig. Das Programm - man merkt es gleich - entspricht in seiner Besonderheit ganz dem persönlichen Zugang des Galeristen. Hier wird wenig taktiert und mit Marktanalysen gespielt. Stattdessen muss das Verhältnis zwischen Galerist und Künstler stimmen, die Qualität der Arbeiten und - nicht zuletzt - die Haltung, die dahinter steht.

Dass viele Stipendiatinnen und Stipendiaten der Kunststiftung Baden-Württemberg von der Galerie Merkle vertreten werden, ist deshalb konsequent, geht es doch für beide Einrichtungen darum, Neues zu fördern und nicht einfach dem Mainstream zu folgen. Wenn die Galerie Merkle ihr zehnjähriges Bestehen feiert, begeht die Kunststiftung ihr 30-Jahr-Jubiläum. So gratuliere ich mit der Hoffnung, dass hier wie dort Offenheit, Courage und die Freude am zweiten Blick auch in Zukunft erhalten bleiben.

 

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Tina Stroheker

Lyrikerin. Lebt in Eislingen/Fils.

10 Jahre Galerie Merkle

Manchmal wenn es ganz still ist , hörst du die Zeichen sprechen.
Du kannst Dich dann nicht mehr wegdrehen. Sieh einfach hin,
du bist doch gemacht fürs Schauen. Kannst gar nicht anders.
Vertrau Dich den Linien an. Schau noch genauer:
Glüht etwas auf dem Bild? Bleib stehen, bis Dir die Augen brennen.
Wie das Verlangen brennt nach Lebensfunken *,
das du schauend annehmen kannst

>

* vgl. Heinrich von Kleist, Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft, 1810

 

Hans Karl

geboren 1935, lebt in Hannover.

Karl

Ohne Titel, Öl auf Leinwand, 18,5 x 13 cm, 2006

 

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Clemens Ottnad

Kunsthistoriker. Lebt in Kohlstetten / Schwäbische Alb.

, terr. ukrums - Suchfelder, Forschungen (teils & an anderen Orten)

Papiere leuchten, in lineamenten Essenzen braut sich das Wissen um Zeit zusammen, und in Denkgräbern verliert sich Sinn so beiläufig und so, als ob sie streunend, auf Stellgängen unterwegs, den Pouchoirs eigen samtenen Ideenstaub abschüttle, die Ichfunde im Voranschreiben liniert gedachter Wortwege zerkratzen hörte (neben irgendwo eisiger Brummgeräusche), sodann in Augenfallen geraten war, einmal Gesagtes von Ahnungen erfüllt, auch mehrerlei diese, inmitten von Archäologien des Sehens, gemeinhin, die Zusammensetzungen scheinbarer Fremde zu entlarven; zwischen Aufsichten und Ansichten schwankende Perspektiven, Rasterpunkte, Linienverläufe, weiche Unschärfen sich überlagernder Flächen, auf deren Nachbildspuren Lichtformationen, Siedlungssysteme, Herkunften vegetabiler Wucherungen abzulesen sind, darin Landvermesserin sie in diesen Offenheiten, im widerständigen Anarbeiten gegen das Materialhafte, die Dinge, auch Restzeugnisse der Vergangenheit zu bergen, aus den dieserart konservierten Fragmenten dann ein Vorstellungsmodell zu entwerfen, das in weiter gefassten Kontexten Schritt für Schritt ein Gesamtbild des verloren oder verschüttet Geglaubten zu vermitteln imstande ist, weiter auf ausgedehnten Augenreisen selbstsinnig geprägter Territorien, Bilddistrikte, in diese Dunkelheiten kopfinnen verwoben; die Mitschau von Sehen, Denken und Empfinden des eigenmächtigen Handelns Zeichenarbeit, sodass aus nächternem Widerschein nur winzige Lichtflecken hervorlugen, ein möglicher Fluchtweg vielleicht, oder aber ein Grabungsfeld, als Zeichen der Erinnerungen, noch zu entdecken lägen, obwohl andernorts sich Schriftzeichnung und Zeichnungsschrift gegenseitig umschlangen, Buchstaben, Lettern, Kritzeleien in Körper und Köpfe der Ichs aller Tage rauschhaft geschmeidig kleideten, umgehend aber ungelenk-linkisch zu rotierenden Strichknäueln in untiefen See(Seh)flächen gerieten, sodann zusammengekauert in ihren Sinnkokons und Katakomben, zwischen überstürzt eingerichteten, so je eigentümlichen Himmelreichen dieser Art Sinnenaggregate, Aufbewahrungsfächer, ja Lagerstätten, mit hellen Fäden ganz in die Papiere einwebt; die nächtlichen Doppelapparaturen, Architekturmaschinen eines labyrinthischen Wegeobjekts, um gegenübergestellt sich Zugang zu möglichen Perspektiven, Blickrichtungen und Sichtweisen zu verschaffen, Erklärungsschlüssel alsbald erschöpft, die eigentliche Zeichenlinie zumeist pulverisiert oder eben bloße Lichtspur atomisiert in Kohlepartikeln, in leisen Allmählichkeiten ihres Entstehenden verwischt, wieder gelöscht, in verschwiegenen Bleistiftzügen über das Raumfeld Papier wogend, Grauschleier, Fingerabdrücke und andere Fährten des immerwieder Neuen, einsilbig vibrierenden Bruchstücken, in Unschärfen nachhallen, in Helligkeiten gangbar zu machen, sodass die parallelen Verschiebungen der Einzelformen und Linienstrecken Netze spinnen, innerhalb derer, die geheimen Objekte lautlos die Qualität von Resonanzkörpern menschlichen Vorstellungsvermögens erhielten, wohingegen das viele Atmen, Schlucken, Herzschlagen, Lichtblinzeln, Lidflattern oder Ohrensausen aber das Bildlauschen beträchtlich störte, i.e. Zusammenfall, Augenmerk, leicht.

 

Rainer Wochele

Schriftsteller. Lebt in Stuttgart.

Bilder brauchen Wände!

Aber ja, doch: man kann Bilder, Skulpturen, Kunstobjekte auf den Boden stellen, an die Decke hängen, auch auf Straßen und Plätzen errichten kann man sie. Doch letztlich brauchen Bilder Wände, nichts als Wände. Weil sie uns brauchen. Unsere Augen brauchen sie, und die befinden sich nun mal in einer Höhe zwischen, sagen wir, einssechzig bis einsneunzig. Bilder brauchen aber auch, was hinter unseren Augäpfeln ist, unseren Kopf brauchen sie samt Gehirn, viel oder wenig, Gehirn, das rechnen kann, Autos bauen, und das zu phantasieren und Kunst zu verstehen und zu genießen vermag.

Bilder Brauchen Wände. Und diese Wände sind dann flächige Grenze zwischen der harten Wirklichkeit und den manchmal nur wenige Quadratzentimeter großen, unendlich weiten, wunderbaren Galaxien der Kunst. Wände brauchen Bilder. Und Nägel und Fäden, an denen sie hängen dürfen. Und Schienen, an denen die Nylonfäden hängen und Schrauben und Dübel für die Schienen und Lampen brauchen sie, die ihnen wärmende Sonne sind.

Und wenn die Bilder Wände brauchen, dann brauchen sie eben auch die Wändebereitsteller, die Wändebeschaffer, gemeinhin Galeristen genannt. Tja, wie wird man das - Wändebeschaffer für Bilder? Und noch dazu ein guter. Und noch dazu ein ganz besonderer. Wie wird man einer, wie der Horst Merkle einer ist, seit nunmehr zehn Jahren?

Nun, der wächst in Kirchheim-Teck auf, lernt was Bodenständiges, Diplomverwaltungswirt, wirkt und werkelt in Stuttgarts Stadtverwaltung und Stadtjugendring, wird selber Künstler, begründet das Projekt Release und Kunst, eröffnet 1997 in Bad Cannstatt am Jakobsbrunnen sein Wändebeschaffungungsunternehmen, organisiert Ausstellungen, Lesungen, Sommerfeste, macht sich wohlklingenden Namen unter Kunstliebhabern als Galerist, wechselt von verwinkeltem Cannstatter Ambiente in helle, lichtdurchflutete Räume im Stuttgarter Westen, mit Wandfläche im Überfluss, auf der die Bilder üppigen Auslauf haben.

Nach zehn Jahren durchgehaltener, durchgestandener Leidenschaft für dies elementare Wandbedürfnis der Bilder, darf man diesen Horst Merkle schon loben, darf ihn schon preisen. Oh ja! Und rühmen darf man ihn, der diese ganz besondere Horst-Merkle-Mischung made in Bad Cannstatt verkörpert.

Es ist eine Mischung aus handfester Verwaltungswirtschaftsbefähigung, die weiß, wie man Wände beschafft, Fäden zieht, auf dass sie leben kann, die leichte schwere Kunst. Und aus sicherem Qualitätsinstinkt, der sich Bildern und Bilderschöpfern behutsam nähert und der weiß, was künstlerisches Gewicht, Eigenständigkeit und Unverwechselbarkeit sind, was lohnt, vor unseren Sehnerv gebracht zu werden. In Augenhöhe. An Wänden. Bilder können viel, unendlich viel. Nur eines können sie nicht. Sich ihre Wände, somit ihren Standort in der Welt und uns gegenüber, selbst erschaffen und selbst beschaffen. Bilder brauchen Wände. Und solche Leute wie Horst Merkle. Sie brauchen ihn jetzt. Und sie brauchen ihn auch - natürlich, selbstverständlich! - in der Zukunft.

 

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Ulrike Kirbach

geboren 1951 in Stuttgart, lebt in Stuttgart.

Kirbach

blühe auf, Zeichnung, Bleistift , Scherenschnitt, Schreibmaschine 30 x 24 cm, 2007

 

Harald Kröner

geboren 1962, lebt in Pforzheim.

Kröner

Screens 1 (Musée d´Histoire naturelle), Plexiglas, Alu, Grossdia, Leuchtmittel, 33 x 21,5 x 3,8 cm, 2007

 

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Thomas Putze

geboren 1968, lebt in Kornwestheim.

Putze

Pissoir, Holz, Metall, 45 x 54 x 14cm, 2007

 

Jan Christ

Schriftsteller. Lebt in Berlin.

BIN DER GALERIST

Eine Hommage für Horst Merkle anläßlich des zehnjährigen Jubiläums seiner Galerie

BIN DER GALERIST
hänge die Bilder
damit die Bilder zum Raume kommen
der Raum raumlos die Bilder sieht
BIN DER GALERIST
Bilder sich besprechen
Sprache sich bebildern
zu lassen
BIN DER GALERIST
wo Bilder begangen
Gänge bebildert werden
damit Leute zu Leuten kommen
BIN DER GALERIST
um die Leute zu bitten
hinzusehen
um von andrem abzusehen
BIN DER GALERIST
nicht nur in einem Sinne
sonst wär ichs
in keinem Sinne

 

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Dr. Tobias Wall

Kunstwissenschaftler. Lebt in Stuttgart.

Zum Jubiläum von Horst Merkle

Das Geschäft mit der Kunst blüht. Mehr noch: Der Kunstmarkt hat den Kunstbetrieb übernommen. Die mächtigsten Figuren auf diesem Markt sind die Kunsthändler, die Galeristen und Sammler.

Es gibt einen Typ Galerist, dem man seine Macht ansieht, besonders auf großen Kunstmessen wird sie weidlich zelebriert: wie sie sich in ihren leger gehaltenen Nadelstreifen auf Designerstühlen präsentieren ("original Jean Prouvé, vom Neffen der Enkelin quasi aus erster Hand"), ohne Krawatte ("geht gar nicht") bedeutende Gespräche an Mobiltelefonen führen ("der gaaanz große Deal") und dabei schnoddrig, trotzig ihre Lifestyle-Zigarette rauchen ("Rauchverbot - Die können mich mal"). Mit herablassender Unaufmerksamkeit verfolgen sie das Geschehen in ihrer Koje und unter ihren Augen kommt sich der einfache Messebesucher vor wie ein störendes Insekt. Doch wie schlagartig ändert sich das Verhalten des Galeristen, wenn ein bekannter Sammler oder ein anderer graumelierter Segelschuhträger in dunklem Jackett mit Goldknöpfen ihre Koje betritt. Da rutscht in das blasierte Gesicht ein zahnreiches Strahlen; rasch aufgesprungen, elastisch wird der Gang, die Stimmlage eine Quinte angehoben: "Ja ganz großartig sehen Sie aus. Ein Glück, dass Sie hier sind, ich habe da was ganz besonderes für Sie, der Shootingstar des Sommers, erstklassige Ware, totsicherer Tip, bin gerade dabei, den jungen Mann zusammen mit "Art Investor" aufzubauen, er wird bereits auf Platz 557 der Top-Thousand gerankt. Also mal unter uns: in London zahlen Sie dafür das Doppelte, also ganz sicher. Und... wie geht's der Frau Gemahlin?"

Es gibt noch einen anderen Galeristentyp, einen dem die Art Miami nicht so wichtig ist, einer der nicht in Kategorien des Artprice-Index denkt, der nicht überlegt, ob er Artfunds auflegen sollte, kurz: einer der sich nicht nach dem Marktgeschrei des Business richtet, sondern in aller Ruhe über Jahre hinweg seine Künstler und deren Werk begleitet, geduldig und aufmerksam wartet, bis der Liebhaber zu einem Werk gefunden ist. Auch dieser Typ Galerist arbeitet professionell und versucht sich und seinen Künstlern ein Auskommen zu sichern. Allerdings: nicht um jeden Preis. Er vertritt Künstler, doch nie sind sie für ihn bloße Kunstlieferanten, er verkauft Kunst, aber er behandelt Kunstwerke nie als Kunstware, er bietet sie an, doch ihn interessiert der Sammler als Kunstliebhaber und Kunstabnehmer gleichermaßen. Dieser Galerist knüpft Netzwerke nicht nur, um seine Marktposition zu stärken, sondern weil er den Austausch über die Kunst wichtig nimmt. Seine Galerieveranstaltungen sind keine PR-Events sondern Diskussionsforen. Vielleicht ist diese Art von Gallerist unzeitgemäß, weniger schnittig, weniger tough weniger cool, ein Typ, dessen Arbeit man eher mit Begriffen beschreiben könnte, die so altmodischen sind, man sich heute kaum mehr getraut sie anzuwenden: engagiert, aufrichtig, geduldig, sensibel. Diese Typ Galerist sorgt dafür, das der Markt die Kunst nicht frisst, dass der Kunstbetrieb nicht komplett seelenlos wird. Hingabe statt Berechnung.

Und von dieser Art ist der Horst Merkle.

 

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Monika Schaber

geboren 1958, lebt in Kirchheim/Teck.

Schaber

Ohne Titel, Holzschnitt, 60 x 50 cm , 2007

 

Annegret Soltau

geboren 1946, lebt in Darmstadt.

Soltau

Transgenerativ - Tochter mit Sohn Geschwister I, Fotovernähung, 90 x 56 cm, 2005

 

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Hannes Steinert

geboren 1954, lebt in Stuttgart.

Steinert

Blütenzauber, Kreide, Bleistift, 40 x 50 cm, 2007

 

Rolf Urban

geboren 1958, lebt in Bretten/Baden.

Urban

Galerieansicht, Zeichnung auf MDF, 21 x 29,7 cm, 2007

 

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Martin Theobald

Autor. Lebt in Bonn.

Kunst und Kontingenz

Eine Stadt. Ein Novembertag. Ein Weg durchs Unbekannte, nicht durch die Fremde. Kunst. Werk. Ein ehemaliger Kostümfundus. Weiße Wände. Mildes Herbstlicht. Sammler werden oft gefragt, wie alles anfing, wie alles begann. Mit eben jenem Künstler, mit diesem einzelnen Werk. Bewusste Entdeckung, Förderung. Es kann eine vielseitige Philosophie sein, es kann aber auch ein Weg durch eine Stadt an einem milden Novembertag sein. Der Mensch wünscht sich Gewissheit. In jeder Situation, in jedem Augenblick. Das Gegenteil aber, ins Ungewisse versetzt zu werden, macht ihm Angst und ihn gleichzeitig auch neugierig. Das Neue ist ambivalent. Doch eigentlich könnte alles auch ganz anders sein. Das definiert die Wissenschaft als Kontingent, wenn das jeweilige Sein keinen nötigen Existenzgrund hat. Etwa eine Stadt an einem Novembertag, ein Kunstwerk an weißen Wänden.

Ein sehr philosophischer Ansatz. Er gleicht der Frage in der Metaphysik, wie viele Engel wohl auf eine Nadelspitze passen. Er gleicht der Interpretation in der Kunst, ob jeder Verwendung von Farbe auch Bedeutung zukommt. Er gleicht der Deutung des Zufalls als unbeeinflussbarer Größe. Betrachtungen für weite Wege an einem milden Tag, an dessen Ziel die Begegnung mit den Werken eines mir bis dahin unbekannten Künstlers stand. Ich kenne Stuttgart seit meiner Jugend, als der Hauptbahnhof zum Umsteigeort zwischen weit entfernter Heimat und nicht nahender Fremde wurde. Es war keine Freundschaft, die ich mit dieser Stadt verband, wenn ich auf dem Bahnsteig wartete. Es war die Notwendigkeit des Weiterreisens. Das Wiedersehen mit Stuttgart an einem Novembertag fast zwanzig Jahre später eher zufällig, das existenzielle Sehen an diesem Novembertag ein Zufall. Das begann in einer Galerie, deren Adresse sich zufällig im Telefonbuch fand und an deren Wänden zufällig Werke von Hannes Steinert hingen. Eine Reihe seiner Werke. Kleine Formate. Eine bunte Welt, eine eigene Welt. Eine langsame Annäherung über Geschichten, Gemeinsamkeiten, Gerngesehenes und Gemochtes mit dem Galeristen. Ein Eintauchen in die Symbolik von Hannes Steinert, deren Bedeutung für das Werden der Galerie Merkle und doch wird es immer Zufall bleiben, der am Anfang stand.

Die Arbeiten Hannes Steinerts leben vom Wechselspiel zwischen objektiver Wahrnehmung, subjektiver Deutung und der Projektion des Bewusstseins. Sie wirken zufällig, doch sind sie nicht kontingent, denn Farbe und Form haben ihren eigenen Existenzgrund. Sie sind Ausdruck von Komposition, Denken und Handeln Steinerts, von Vergangenheit, Weg und Zukunft. Die Werke von Hannes Steinert stehen somit im Gegensatz zum Zufall, der im eigenen, persönlichen Handeln und Denken entsteht. Das Momentum jedoch, das wir als zufällig oder als Beginn aller zufälligen Ereignisse bezeichnen, bestimmen wir allein. Der Blick in das Telefonbuch. Die Reise nach Stuttgart. Der Augenblick der Entscheidung darüber ist absoluter Wahnsinn - im wörtlichen Sinne. Widerstand dagegen, so formuliert es der französische Philosoph Jacques Derrida, ist nicht das Vorwegbescheidwissen, denn woran sich ein Denken des Zufalls bemisst, ist nicht der Verweis auf die Gabe des Ereignisses als Geschehen des ganz anderen zu erkennen, sondern die Markierung der Kontingenz im Kontext des Gegebenen als Domäne des Kalküls. Denn Kontingenz bedeutet die Beurteilung der Wirklichkeit vom Standpunkt der Notwendigkeiten und Möglichkeiten her. Anders formuliert: Alles kann, nichts muss. Es hätte auch Trier sein können, oder ein Einkaufszentrum, ein Augusttag, kühl und verregnet. Auch hätte die Seite des Stuttgarter Telefonbuchs fehlen können. Doch ich entschied mich für Stuttgart, für November, für die galerie merkle, für Hannes Steinert und einige seiner Grafiken.

 

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Gert Wiedmaier

geboren in 1961, lebt in Stuttgart.

Wiedmaier

Aus dem Zyklus >>von oben<< "Passanten I", Wachsobjekt
C-Print / Gouache / Wachs / Lack / auf Mdf, 60cm x 45cm x 3,5 cm, 2007

 

Danielle Zimmermann

geboren 1974 , lebt in Stuttgart.

Zimmermann

candy girlz, Edding auf Plastiktüte, auf Keilrahmen aufgespannt, 85 x 135 cm, 2007

 

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Veit Görner

Direktor der Kestner Gesellschaft Hannover.
Lebt in Hannover und Stuttgart.

"Wir können froh sein, dass er nur schwäbisch kann!"

Hätte der liebe Horst nicht einen so ausgeprägten schwäbischen Akzent, wäre er schon in eine der großen Kunstmetropolen umgezogen. Aber da verstehen sie ihn "halt ned".

Und es ist auch gut so, dass er hier bleibt. Stuttgart braucht Galeristen wie ihn, die der jungen Szene einen Ort geben. Eine erste Galerie, um sich zu erproben und sich so auf den rauen Wettbewerb in der Kunstwelt einzustellen lernen.

Horst Merkle ist Überzeugungstäter und kein Spekulant. Er glaubt an seine Künstlerinnen und Künstler und vertritt sie mit leidenschaftlichen Erklärungen gegenüber den Ausstellungsbesuchern. Daneben engagiert er sich - und das verbindet ihn mit meiner eigenen Geschichte - für die Drogenberatung "release". Zusammen mit Uli Binder kümmert er sich um die Akquisition von Grafiken bedeutender Künstler, die dann zu Gunsten von "release" verkauft werden. Und auch das nicht laut und effekthascherisch, sondern leidenschaftlich in der Sache und nachhaltig.

Wir können froh sein, dass er nur schwäbisch kann!

 

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Annik Aicher

Journalistin. Lebt in Stuttgart.

 

Mal ehrlich. Ich bin nicht so ein Galerientyp. Ich fürchte die Peinlichkeit, in die kleinen Reiche der Kunstkenner einzudringen. Wo trotz der engen Zwangsgemeinschaft die Schritte hallen. Wo sich die kritischen Augenpaare der Galeristen auf meinen Rücken heften. Wo eisiges Schweigen meinen Blicken und Bewegungen folgt. Wo ich von Exponat zu Exponat eiere, mit hochrotem Kopf. Und mich möglichst schnell wieder ins Freie rette. Das alles habe ich noch gar nicht so schlimm erlebt. Aber ich fürchte mich davor.

So hat mich nur sehr große Neugierde vergangenes Jahr in die Galerie Merkle geführt. Stuttgarter Westen, da wohne ich, da fühle ich mich auch in fremden Kunsträumen O.K. So denke ich. Und deshalb steige ich die Treppe im Galerienhaus hinauf. Der erste Blick fällt auf die Theke, das beruhigt. Theke, das sieht nicht nach klaustrophober Klause aus, sondern nach Bar, nach Chill Out. Ich weiß gar nicht genau, ob Horst Merkle an diesem Tag wirklich hinter der Theke stand. Egal, ich sehe ihn dort, kein grummeliger Galerist, sondern großzügiger Gastgeber. Der Kaffee anbietet und das erste von vielen Gesprächen beginnt, die später noch folgen sollen. Ehrliche, begeisterte Gespräche über die Zeichnungen von Ulrike Kirbach an den lichtweiten Wänden, über die Vernähungen von Annegret Soltau, die ich aus meiner Zeit in Frankfurt kenne. Und je mehr wir uns in Gedanken über feine, sperrige und tiefsinnige Kunst verspinnen, umso klarer wird mir: hier bin ich vor meiner Galerien-Phobie sicher. Garantiert.

 

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